Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliendarlehen

Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliendarlehen
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Ein Immobiliardarlehen kann nach den gesetzlichen Regelungen des § 500 Abs. 2 S. 2 BGB vorzeitig gekündigt werden, wenn ein sog. berechtigtes Interesse besteht.

Ein berechtigtes Interesse an einer vorzeitigen Kündigung eines sollzinsgebundenen Immobiliardarlehens wurde von der Rechtsprechung bisher in folgenden Fällen anerkannt:

  • Verkauf der Immobilie
  • Scheidung
  • Arbeitslosigkeit
  • Bedarf nach Ausdehnung des bestehenden Kredits, den die Bank allerdings ausschlägt.

Dann wird in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig, über dessen Höhe die Bank (bei Verträgen ab März 2016) unverzüglich gem. § 493 Abs. 5 S.1 BGB detailliert aufklären muss.

Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung besteht allerdings nicht in den gesetzlich geregelten Fällen des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.   

 Ist nämlich im Darlehensvertrag

     a) die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung,

     b) Angaben über die Laufzeit des Vertrags oder

     c) Angaben über das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

unzureichend dargestellt,ist der Anspruch des Darlehensgebers auf  Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen.

Das gilt auch für die Fälle, in denen die Klausel für Verbraucher unverständlich dargestellt und damit nicht nachvollziehbar ist.

Im Einzelnen:

 Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Als Vorfälligkeitsentschädigung wird das Entgelt für die außerplanmäßige Rückführung eines Festzinsdarlehens bezeichnet.

Bei einem Festzinsdarlehen verpflichtet sich die Bank, die Zinsen über den vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraum selbst dann unverändert zu halten, wenn sich die aktuelle Zinssituation verändert hat. Bei einer vorzeitigen Kündigung des Darlehensnehmers entsteht der Bank ein Refinanzierungsschaden und ein sog. Margenschaden. Denn die Bank kann ihre zur Refinanzierung verwendeten Einlagen oder Anleihen nicht vorzeitig zurückzahlen.

Wie berechnet sich die Vorfälligkeitsentschädigung?

Durch die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens entsteht der Bank ein Refinanzierungsschaden sowie ein Margenschaden.

Refinanzierungsschaden: Die Bank hatte den Kredit beim Abschluss des Kreditvertrages zu dem damaligen Zinssatz für die damalige Zinsfestschreibung refinanziert. Verändern sich nun die Marktzinsen zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung, so kann die Bank die vorzeitig zurückgezahlten Gelder nicht zu dem ursprünglichen, sondern nur zum aktuellen Marktzins wieder anlegen. Die Differenz, bezogen auf die Restlaufzeit, ist der Refinanzierungsschaden. Andererseits entsteht der Bank ein Refinanzierungsgewinn, wenn der Wiederanlagezinssatz größer als der ursprüngliche Zinssatz ist.

Margenschaden: Der Margenschaden stellt die Minderung des Gewinns der Bank dar. Die Bank erzielt ihren Gewinn daraus, dass sie Einlagen geringer verzinst als Kredite. Die Differenz (die Marge) der Bank ist umso höher, je länger der Kredit läuft. Wird der Kredit vorzeitig zurückgezahlt, erzielt die Bank für die Zukunft keine Marge mehr. Dieser Verlust am künftigen Ertrag ist der Margenschaden.

In welchen Fällen ist eine Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen?

Wie oben bereits dargelegt, regelt § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nun diejenigen Fälle, in denen der Anspruch der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen ist.

Dies wurde jüngst durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 01.07.2020, Az. 17 U 810/19, bestätigt, bei dem es um ein 

Immobiliardarlehen der Commerzbank AG aus dem Jahr 2016 

ging. Die Klausel über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung war in diesem Vertrag aus dem Jahr 2016 zwar sehr ausführlich und umfangreich, inhaltlich aber fehlerhaft.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 01.07.2020, Az. 17 U 810/19, führt aus:

 „Die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend i.S.v. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich i.S.v. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind (BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 -, Rn. 44, juris; BT-Drs. 16/11643, S. 88). 

Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (BGH, Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18 -, Rn. 14, juris).

Ein solcher Verbraucher war nicht in der Lage, den Angaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen zu entnehmen, wie die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde. 

Die Beklagte hat die vorzunehmenden Rechenschritte zwar im Einzelnen dargestellt. Diese Darstellung ist in Bezug auf den zweiten Rechenschritt indes unverständlich.

(Hervorhebungen durch Verfasserin)

Das Oberlandesgericht hat also aus Sicht des Verbrauchers versucht, die Klausel zu verstehen und hat festgestellt, dass die Darlegungen der Bank unverständlich sind. Denn dem Verbraucher fehlten die notwendigen Informationen, um eine derartige Vertragslücke selbstständig zu schließen.

Im Ergebnis hat der Kunde Recht bekommen und konnte auf diese Weise die Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen.

Lassen Sie ihren Vertrag daher anwaltlich prüfen!


Bei Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.